Quartalsbild 4/2025

Eine Frau nutzt inmitten von Trümmern eine aus Pflastersteinen und Schutt errichtete provisorische Kochstelle. Im Hintergrund sind noch die Ruinen zerstörter Gebäude zu sehen. Die Szene findet in der Nachkriegszeit statt.

Lagerleben in der Nachkriegszeit

Eine Frau nutzt inmitten von Trümmern eine aus Pflastersteinen und Schutt errichtete provisorische Kochstelle. Im Hintergrund sind noch die Ruinen zerstörter Gebäude zu sehen. Die Szene findet in der Nachkriegszeit statt. Aus den Archivaufzeichnungen wissen wir, dass das Foto von Johannes Künzig, Gründer des IKDE, Mitte der 1940er-Jahre, vermutlich im Lager Wertheim, aufgenommen wurde. Über die abgebildete Frau und ihr Schicksal ist jedoch nichts bekannt. 

Obwohl der Begriff „Lager“ provisorischen Charakter hat, assoziiert man damit doch wenigstens eine Wohnunterkunft mit einem „Dach über dem Kopf“. Es heutiger Sicht ist es irritierend, dass ein Ort im Freien, der von Trümmern übersäht ist und in dem Bildausschnitt wirkt als wäre er auf einer Straße aufgenommen worden, als Lager bezeichnet wird. Diese Art von Szene war allerdings typisch für den (Lager-)Alltag in Deutschland nach 1945: Die Infrastruktur war zerstört, die grundlegende Versorgung war schwierig und es mangelte an allem[1]. In den Lagern lebten überwiegend Vertriebene und Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Bis 1940 kamen über 12 Millionen[2] von ihnen in den vier Besatzungszonen an. Die vorhandenen Lagerkapazitäten reichten bei weitem nicht aus, deshalb wurden alle verfügbaren Räumlichkeiten, auch die, die sich in sehr schlechtem Zustand befanden, genutzt[3]

Wahrscheinlich war die Frau eine dieser Millionen Menschen, die sich nach dem Krieg zunächst weiter Zerstörung und Mangel stellen musste. Ihre Geschichte ist mit der Zeit verloren gegangen – doch ihr Bild bleibt ein eindringliches Zeugnis für die harten Realitäten des Lebens und Überlebens in der Nachkriegszeit.

Dieses und weitere Fotografien zum Thema „Lagerleben“ befinden sich in den Beständen des IKDE. 

 

[1] vgl.: Beer, Mathias: Die deutsche Nachkriegszeit als Lagergeschichte. Zur Funktion von Flüchtlingslagern im Prozess der Eingliederung. In: Henrik Bispinck, Katharina Hochmuth (Hg.): Flüchtlingslager im Nachkriegsdeutschland. Migration, Politik, Erinnerung (Beiträge zur Geschichte von Mauer und Flucht). Berlin 2014, S. 65. 
[2] vgl. ebd., S. 50. 
[3] vgl. ebd., S. 53.

 

Bildarchiv: Alexandra Waliño Fernandez

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