Die Idee hinter diesem Projekt war, zwanzig Jahre nach der Wende die nach einer gesellschaftlichen Schwellensituation neu entstandenen sowie im sozialistischen Regime verdrängten, verbotenen und nun in statu nascendi befindlichen Traditionen und Feste zu beobachten, eine Tendenz, die wir nach Eric Hobsbawm formelhaft als „Invention of Tradition“ bezeichneten. Wir hofften, anhand der Wandlung des Festwesens Einblicke in die gesellschaftliche Transformation im Beispielland Ungarn zu bekommen.
In der ersten Projektphase wurden Daten zu neuen beziehungsweise revitalisierten Fest- und Brauchpraktiken aus Ländern des östlichen Europa erhoben, teilweise unterstützt durch vor Ort forschende Kolleginnen und Kollegen. In dieser Zeit versuchte fast jeder Ort, ein ortstypisches Lokalfestival auf die Beine zu stellen. So konnten wir aus dem Vollen schöpfen: Eine anfangs unkanalisierte und spontane Erfindungswelle förderte das Entstehen lokaler Festivitäten, darunter viele gastronomische Festivals, die ortstypische Produkte in den Mittelpunkt stellten und binnen kurzer Zeit überregionale Bekanntheit und hohe Besucherzahlen erzielten.
In der zweiten Projektphase nahm die deutsch-ungarische Kooperation seitens des IKDE mit dem Lehrstuhl für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Szeged (Ungarn) neue Gestalt an: Nach der gemeinsam organisierten Tagung „Gefundene und erfundene lokale Feste und Festivals nach der Wende – zwischen ‚Ethnobusiness‘ und Selbstvergewisserung“ im September 2015 in Freiburg folgte ein Austauschbesuch in Ungarn im Forschungsfeld im Beisein von Studierenden der Universität Freiburg. Dabei bildete die Studienexkursion zum „Stifolder-Fesztivál“ im ungarndeutschen Dorf Feked den Kristallisationspunkt.
- Csilla Schell, Michael Prosser-Schell, Bertalan Pusztai (Hrsg.): Re-Invention of Tradition in Ostmitteleuropa nach 1990. Neue, „gefundene“ und revitalisierte Feste mit Schwerpunkt auf Ungarn (Schriftenreihe des IVDE Freiburg, 19), Münster/New York 2018. (Free Download)