Forschungsprojekt

Das Egerland als volkskundliche Musterregion. 1938–1945

Am Beispiel ausgewählter Elemente der „Volkskultur“ der westböhmischen Region Egerland wird in diesem Projekt die Verflechtung von volkskundlicher Forschung, völkischen Bestrebungen und nationalsozialistischer Politik untersucht. Beleuchtet werden dabei Beispiele aus den Bereichen Architektur, Wohnkultur, Kleidung und Festkultur. Dabei soll gezeigt werden, welche Deutungsmuster entwickelt und propagiert wurden, um das Narrativ einer „urdeutschen“ Region mit unverfälschter „Volkskultur“ zu etablieren.
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Projektdetails

Projektleitung: Dr. Elisabeth Fendl
Projektbeteiligte: Vera Kruse
Projektlaufzeit: 2020–2025

Die Stilisierung des Egerlandes als deutsche volkskundliche Musterregion hatte bereits um 1900 begonnen. Innerhalb der Egerländer Volkskunde lässt sich dieser Nationalisierungsschub an den Arbeiten der Heimatkundler Alois John (1860–1935) und Josef Hofmann (1858–1943) beschreiben. Eingebettet war dieser Prozess in die Heimatschutzbewegung, die in Eger zum Beispiel 1917 zur Gründung des Egerländer Altbautenbundes (Verein zur Wiederherstellung und Erhaltung von Baudenkmälern in Eger und dem Egerlande) führte, der für sich als Aufgaben die „Pflege des Heimatschutzgedankens im Egerlande […]“ formuliert hatte und dieses Ziel auch sehr stark national definierte.

Von den Nationalsozialisten wurde die Stilisierung des Egerlandes als deutsche Musterregion verstärkt weiterbetrieben. Diese Zuschreibung wurde in der Zeit des Nationalsozialismus weiter politisiert und noch eindeutiger nationalisiert. Man ging von einem diffus-kollektiven Schaffensprozess aus und widersetzte sich Theorien, die von einer ständigen Weiterentwicklung der Kultur aufgrund wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen ausgingen.

In diesen Prozess waren Volkskundler eng eingebunden. Institutionalisiert waren deren Bemühungen in der in Reichenberg/Liberec ansässigen Sudetendeutschen Anstalt für Landes- und Volksforschung. Anhand der Arbeiten von Josef Hanika (1900–1963) und Bruno Schier (1902–1984) soll gezeigt werden, wie Volkskundler an der Popularisierung „ideologisch-politische[r] Gebrauchsformen der Volkskultur“ und an ihrer „völkische[n] Anwendbarkeit“ (Gottfried Korff) mitgearbeitet haben.

Blick auf einen Hof: Vor dem Tor laufen Kühe den Weg entlang.
Die um 1930 erbaute Obere Stöckermühle bei Oberlohma/Horní Lomany im Egerland wurde im „Heimatstil“ errichtet. Nachlass Bruno Schier, Bildarchiv des IKDE, Inv. Nr. Fm00285.
Zeichnung zweier Frauen in Tracht.
Schlicht „deutsch“ – Skizze der erneuerten Egerer Frauen-Tracht von W. Gareis. In: Unser Egerland 42 Jg. (1938), Heft 3/4
Ein Festzug von in Tracht gekleideten Menschen zieht durch eine Straße. Zuschauer stehen ringsherum.
Egerländer Hochzeitsmarsch. Nachlass Bruno Schier, Bildarchiv des IKDE, Inv. Nr. Fk07627.
Ein illustriertes Plakat zeigt ein Paar in Tracht, im Hintergrund ein Fachwerkhaus.
Massenhaft verbreitet – Postkarte der Allianz und Stuttgarter Lebensversicherungsbank Aktiengesellschaft, gelaufen 1941. Bildarchiv des IKDE.
Kachelofen aus bunten Kacheln von Willy Russ.
Nicht einfach schön – Der im Auftrag der Selbstverwaltung des Reichsgaus Sudetenland 1941–1945 für das Volkskundemuseum Eger hergestellte Kachelofen von Willy Russ wird als Egerländer-Volkskunst-Ikone gehandelt. Ein unkritischer Umgang mit der auf den Reichsgau zugeschnittenen Ikonografie des Ofens bestimmt auch den heutigen Umgang mit diesem kunsthandwerklichen Objekt.
Eine alte gedruckte Eintrittskarte
Eintrittskarte für einen „Egerländer Abend“ in Falkenau, 21.2.1942. Conférencier der von der NS-Organisation „Kraft durch Freude“ durchgeführten Veranstaltung war Franz Heidler. Abb. In: Hugo Theisinger: Aus dem Egerland. Falkenau Stadt und Land. Buchloe 1983, S. 395.
Eine Briefmarke zeigt das Motiv eines Paares. Der Mann im Vordergrund trägt eine Hacke über der Schulter.
Wohltätigkeitsmarken der Deutschen Reichspost, ausgegeben am 2.12.1938. Stahlstichdruck: Egerländer Trachtenpaar. Entwurf: Werner und Maria von Axster-Heudtlass.