Nachlass Bruno Schier

Hausforschung als nationale Wissenschaft

Der 1902 in Hohenelbe/Vrchlabí im Riesengebirge (Tschechien) geborene Bruno Schier war einer der bekanntesten „sudetendeutschen“ Volkskundler. Sein Berufsweg führte ihn nach dem Studium in München und Prag über Reichenberg/Liberec, Prag, Leipzig, Bratislava, Halle und Marburg nach Münster, wo er 1984 starb. Nicht unumstritten sind seine Untersuchungen zum Hausbau in Mittelosteuropa sowie seine „Kulturraumforschung“. Seit 1985 befindet sich ein Teil seines Nachlasses im IKDE.
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Mehr als 5.000 Einzelnachweise

Der inventarisierte Teilnachlass enthält rund 4.000 Einzeldokumente. Er umfasst knapp 500 Manuskripte von Monographien, Aufsätzen, Rezensionen und Vorlesungen, über 1.000 Fotos, Dias und Postkarten (meist mit Aufnahmen zum Hausbau) sowie eine rund 1.000 Titel umfassende Sonderdrucksammlung. Außerdem beinhaltet er etwa 350 an Schier sowie mehr als hundert von Schier geschriebene Briefe und Postkarten. Des Weiteren finden sich fast 900 Dokumente verschiedener Art in dem Nachlass, insbesondere aus Schiers Berufsleben (Lebensläufe, Publikationslisten, Gutachten, Protokolle, Ergebnisbögen von volkskundlichen Umfragen etc.).

Holzschnitt. Ex libris von Bruno Schier.
Ex libris von Bruno Schier. Holzschnitt. Archiv des IKDE. Nachlass Bruno Schier.
Seite eines Antwortbogens auf eine Umfrage Schiers und Gierachs zum „Bauernhaus der Sudeten-und Karpathenländer“ aus dem Jahr 1930.
Seite eines Antwortbogens auf eine Umfrage Schiers und Gierachs zum „Bauernhaus der Sudeten-und Karpathenländer“ aus dem Jahr 1930. Archiv des IKDE, Nachlass Bruno Schier.
Eine Mühle im Stil eines Fachwerkhauses.
Bauer der sein Feld pflügt

Bruno Schier: Sozialisation in der Jugendbewegung

Am 17. Dezember 1902 als viertes Kind des Wagnermeisters Johann Schier zu Hohenelbe im Riesengebirge geboren, erlernte ich in der väterlichen Werkstatt das Wagnergewerbe, besuchte jedoch gleichzeitig das Gymnasium meiner Vaterstadt. Hier begründete ich im Jahre 1917 mit mehreren Mitschülern eine Wandervogelortsgruppe und blieb dem Gedankengut der Jugendbewegung durch meine Mitgliedschaft in der ‚Böhmerlandbewegung‘, den Prager ‚Freischaren‘ und der ‚Deutschen Gildenschaft‘ zeitlebens treu.

Bruno Schier, Lebenslauf, um 1980, Archiv des IVDE, Nachlass Bruno Schier

Bruno Schiers Rolle im Nationalsozialismus war lange Zeit in der Volkskunde kein Thema. Das hat sich längst geändert. Laut Elisabeth Timm war Schier „während der NS-Zeit ein nationalsozialistischer Multifunktionär in Wissenschaft und Politik“ (Elisabeth Timm, 2015, S. 102). Die von ihm vertretene These des west-östlichen Kulturgefälles, das in der ländlichen Architektur am deutlichsten zutage trete, hat er nie eindeutig revidiert.

Eine Zeit, die auf geographische Festlegung sprachlicher und volkskundlicher Tatsachen gerichtet ist, muß vor allem der sachlichen Volkskunde eine erhöhte Beachtung zuwenden. Handelt es sich doch beim volkstümlichen Wohnbau und Hausrat, bei den ursprünglichen Ackergeräten und Arbeitswerkzeugen um Gegenstände, die sich im Gegensatz zu vielen Erscheinungen der geistigen Volkskunde örtlich vollkommen einwandfrei festlegen lassen. Sie ermöglichen daher wie kein zweiter volkskundlicher Stoff die genaue Bestimmung von Kulturlandschaften, die im Verlaufe einer langen Geschichte aus der Wechselwirkung zwischen Boden und Mensch hervorgegangen sind. […] Besonders im östlichen Mitteleuropa, das an Völkerbewegungen so reich ist, muß die kulturgeographische Forschung zu wertvollen Aufschlüssen führen. Hier gerade verdient die Tschechoslowakische Republik, die den Gegensatz des hochkultivierten Westens und des von Urproduktion lebenden Ostens in sich schließt, besondere Beachtung.

Erich Gierach und Bruno Schier, Das Bauernhaus der Sudeten- und Karpathenländer. Ein Fragebogen für volkskundliche Heimatforschung, in: Heimatbildung, Jg. 11, Heft 4/5 (Januar/Februar 1930), S. 95–105, hier S. 95.

Wie dieses Zitat zeigt, verfolgte Bruno Schier als Verfechter der kulturgeografischen Methode das Ziel, die Landschaftsgebundenheit von Haustypen und Hausrat herauszuarbeiten. Anhand der Hausformen wollte er die „siegreiche Ausbreitung deutscher Wohnformen“ und die „Strahlkraft deutscher Volkskultur“ nachweisen.

Der Freiburger Nachlass Bruno Schiers liefert spannende Eindrücke in seine Arbeit in Prag, Reichenberg/Liberec und Bratislava und stellt so auch eine wertvolle Ergänzung zu den dort verwahrten Unterlagen zur Tätigkeit dieses Volkskundlers dar. Er dokumentiert zudem einen Aspekt der Wissenschaftsgeschichte der Volkskunde, indem er zeigt, wie volkskundliche Forschung, völkische Bestrebungen und nationalsozialistische Politik bei Volkskundlern (wie Bruno Schier), die auch in der deutschen Nachkriegsvolkskunde eine wichtige Rolle spielten, zusammenwirkten.