
Leben und Arbeiten im östlichen Europa
Rudolf Hartmann wurde als dritter Sohn eines Apothekers 1902 in Leutsch bei Leipzig geboren, wo er ab 1923 Germanistik, Geschichte, Geografie und Volkskunde studierte. Das Sommersemester 1925 verbrachte Hartmann als Gaststudent in Wien, von wo aus er mit anderen Mitgliedern der Sächsischen Jungenschaft eine dreimonatige Wanderfahrt in die Länder des Donauraums unternahm. Danach spezialisierte er sich wissenschaftlich auf die südungarischen Siedlungsgebiete der deutschsprachigen Minderheit. Nach Staatsexamen und Promotion verlegte Hartmann seinen Lebensmittelpunkt in das östliche Europa, wo er als Deutschlektor zunächst an der Universität Szeged, später in Debrecen und schließlich in Budapest arbeitete. Von hier aus folgten bis in die 1940er-Jahre weitere Reisen in deutsche Siedlungen.
Von der „Sprachinselvolkskunde“ zur „Volkskunde der Heimatvertriebenen“
Die Reisen in die Donauländer gründeten neben seinem wissenschaftlichen Interesse auch auf „volkstumspolitischen“ Zielen. So war es Hartmann – wie vielen Volkskundlern in der Zwischenkriegszeit – ein Anliegen, durch seine kulturpolitischen Tätigkeiten zum Erhalt der in dieser Zeit als bedroht wahrgenommenen „deutschen Volksgruppe“ an der mittleren Donau beizutragen. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlagerte sich das gesellschaftliche und wissenschaftspolitische Interesse an der sogenannten „Auslands- und Sprachinselvolkskunde“ zwangsläufig zu einer „Volkskunde der Heimatvertriebenen“, und so gab auch Hartmann die Feldforschung in den Donauländern auf und arbeitete fortan als Lehrer im oberhessischen Laubach. Bis zu seinem Tod im November 2001 verwertete er jedoch in zahlreichen Aufsätzen und Monografien seine Aufzeichnungen und lieferte Bildmaterial für donauschwäbische Heimatbücher und -kalender.
Bild- und Schriftnachlass im IKDE
Hartmann dokumentierte Dörfer, Menschen, Kleidung und Mundarten sowie Lieder und Volksschauspiele. In seinem Schriftnachlass befinden sich überwiegend Arbeitsunterlagen, Manuskripte, Korrespondenz, Literatur, Erhebungsbögen, Liedblätter und Heimatblätter. Der Bildnachlass mit über 2.000 Aufnahmen zeigt das Leben der Menschen in den deutschen Dörfern in Ungarn vor 1945. Dieser ist digitalisiert und vollständig erfasst.
- Fata, Márta: Rudolf Hartmann - das Auge des Volkskundlers. Fotowanderfahrten in Ungarn im Spannungsfeld von Sprachinselforschung und Interethnik, Tübingen 1999.
- Kalinke, Heinke M.: Briefe aus dem Forschungsfeld. Gewährsleute aus Ungarn schreiben an Rudolf Hartmann 1926 bis 1948, in: Berichte und Forschungen. Jahrbuch des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im Östlichen Europa 16 (2008/2009), S. 99–114.
- Veröffentlichungen von Rudolf Hartmann, in: Archiv der Suevia Pannonica 7 (1971/72), S. 98–99.
- Fortsetzung der Bibliographie Rudolf Hartmann, in: Archiv der Suevia Pannonica 9 (1977/78), S. 153.
- Werner-Künzig, Waltraut: Rudolf Hartmann zum 90. Geburtstag, in: Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde 35 (1992), S. 451–462.
- Schlitt, Adam: Volkskunde als Volkstumspflege. Rudolf Hartmann zum 75. Geburtstag, in: Archiv der Suevia Pannonica 9 (1977/78), S. 101–106.
- Prach, Hans: Meine Begegnung mit dem Volkstumsforscher Dr. Rudolf Hartmann, in: Unser Hauskalender. Das Jahrbuch der Deutschen aus Ungarn 55 (2003), S. 33–35.