Nachlass Rudolf Hartmann

Im Fokus: Die Siedlungsgebiete der deutschsprachigen Minderheit in Ungarn

Der Volkskundler Rudolf Hartmann (1902–2001) war vor 1945 an den Universitäten Leipzig, Szeged, Debrecen und Budapest tätig und unternahm zwischen 1925 und 1942 mehrere Reisen in deutschsprachige Orte in Ungarn, im Rahmen derer zahlreiche Fotoaufnahmen entstanden. Hartmann übergab einen Teilnachlass (Vorlass) 1993 dem IKDE. Eine zweite Schenkung von ca. 200 Bildern und dem Schriftnachlass erfolgte nach seinem Tod durch seinen Sohn im Jahr 2012.
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Mädchen mit Fotoaparat
Mädchen mit Fotoapparat, Schwäbische Türkei, 1936. Fotograf: Rudolf Hartmann. Nachlass Rudolf Hartmann, Bildarchiv des IKDE, Inv. Nr. Fk06580.

Leben und Arbeiten im östlichen Europa

Rudolf Hartmann wurde als dritter Sohn eines Apothekers 1902 in Leutsch bei Leipzig geboren, wo er ab 1923 Germanistik, Geschichte, Geografie und Volkskunde studierte. Das Sommersemester 1925 verbrachte Hartmann als Gaststudent in Wien, von wo aus er mit anderen Mitgliedern der Sächsischen Jungenschaft eine dreimonatige Wanderfahrt in die Länder des Donauraums unternahm. Danach spezialisierte er sich wissenschaftlich auf die südungarischen Siedlungsgebiete der deutschsprachigen Minderheit. Nach Staatsexamen und Promotion verlegte Hartmann seinen Lebensmittelpunkt in das östliche Europa, wo er als Deutschlektor zunächst an der Universität Szeged, später in Debrecen und schließlich in Budapest arbeitete. Von hier aus folgten bis in die 1940er-Jahre weitere Reisen in deutsche Siedlungen. 

Von der „Sprachinselvolkskunde“ zur „Volkskunde der Heimatvertriebenen“

Die Reisen in die Donauländer gründeten neben seinem wissenschaftlichen Interesse auch auf „volkstumspolitischen“ Zielen. So war es Hartmann – wie vielen Volkskundlern in der Zwischenkriegszeit – ein Anliegen, durch seine kulturpolitischen Tätigkeiten zum Erhalt der in dieser Zeit als bedroht wahrgenommenen „deutschen Volksgruppe“ an der mittleren Donau beizutragen. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlagerte sich das gesellschaftliche und wissenschaftspolitische Interesse an der sogenannten „Auslands- und Sprachinselvolkskunde“ zwangsläufig zu einer „Volkskunde der Heimatvertriebenen“, und so gab auch Hartmann die Feldforschung in den Donauländern auf und arbeitete fortan als Lehrer im oberhessischen Laubach. Bis zu seinem Tod im November 2001 verwertete er jedoch in zahlreichen Aufsätzen und Monografien seine Aufzeichnungen und lieferte Bildmaterial für donauschwäbische Heimatbücher und -kalender.

Bild- und Schriftnachlass im IKDE

Hartmann dokumentierte Dörfer, Menschen, Kleidung und Mundarten sowie Lieder und Volksschauspiele. In seinem Schriftnachlass befinden sich überwiegend Arbeitsunterlagen, Manuskripte, Korrespondenz, Literatur, Erhebungsbögen, Liedblätter und Heimatblätter. Der Bildnachlass mit über 2.000 Aufnahmen zeigt das Leben der Menschen in den deutschen Dörfern in Ungarn vor 1945. Dieser ist digitalisiert und vollständig erfasst.

Sieben Mädchen beim Christkindlspiel. Sie sitzen bzw. stehen um einen Tisch, auf dem eine Kerze und eine Holzwiege stehen. Ein nicht kostümiertes Mädchen wiegt die Holzwiege, die als Bischof verkleideten Mädchen halten Ruten, ein weiteres Mädchen hält einen Hammer.
Christkindlspiel in Vértestolna, 1941. Fotograf: Rudolf Hartmann. Nachlass Rudolf Hartmann, Bildarchiv des IKDE, Inv. Nr. Fk05406.
Ein Mann mit Hut und Mantel (vermutlich Hartmann) zeigt seine Kamera einer Gruppe von Kindern, die sich neugierig um ihn scharren
Kinder aus Trautsohnsdorf / Hercegkút (Ungarn) bewundern die Kamera eines Mannes, 1937. Fotograf: Rudolf Hartmann. Nachlass Rudolf Hartmann, Bildarchiv des IKDE, Inv. Nr. Fk05641.
Porträt einer älteren Frau in Tracht. Sie steht neben einem Feldweg und hält einige Laibe Brot in den Armen.
Ältere Frau mit Brot, Gottschee / Kočevje (Slowenien), 1935. Fotograf: Rudolf Hartmann. Nachlass Rudolf Hartmann, Bildarchiv des IKDE, Inv. Nr. Fk05703.
Acht Frauen sitzen um einem Tisch herum und stricken, hinter ihnen sitzen ebenfalls drei Männer. Hinter dem Tisch an der Wand hängt neben einem Ofen eine Garderobe mit Kleidern und Hüten, an der anderen Wand hängt das Porträt einer Frau.
Frauen beim Stricken, Ungarn, 1929. Fotograf: Rudolf Hartmann. Nachlass Rudolf Hartmann, Bildarchiv des IKDE, Inv. Nr. Fk05781.